Hat Ihre Familie während des 2. Weltkrieges kriegsversehrte Kinder aus Frankreich oder Belgien bei sich aufgenommen?
Dann teilen Sie doch Ihre Erinnerungen mit uns.

Wir freuen uns auf Ihre Kontakt-aufnahme!
Deshalb suchen wir nun nach Personen, deren Familie zwischen 1940 und 1942 ein kriegsversehrtes belgisches oder französisches Kind bei sich aufnahm. Woran können Sie sich noch erinnern? Wie sah der gemeinsame Alltag aus? Wie haben Sie mit Ihren Gastgeschwistern kommuniziert, falls Sie nicht dieselbe Sprache gesprochen haben?
Share your experiences with us to Wir freuen uns, wenn Sie Ihre Erinnerungen an diese Zeit mit uns teilen und dadurch ein sichtbarer Teil der Geschichte dieser Kinderzüge werden.
Kontaktieren Sie uns unter Swisskindertransporte@gmail.com oder folgen Sie uns auf:
“My stay in Switzerland changed my life… I wouldn’t be who I am today without the summer I spent there.”
-Karl Schwarz, evacuated summer 1945
Geschichte der Kinderzüge
Heute denkt man vor allem an das Rote Kreuz, wenn man von den Kinderzügen, d.h. der Hereinnahme von kriegsversehrten Kindern während des Zweiten Weltkrieges, in die Schweiz spricht. Initiiert wurden diese Kinderzüge 1940 aber von einer Koalition von siebzehn verschiedenen Schweizer Hilfsorganisationen, welche unter dem Namen «Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für kriegsgeschädigte Kinder» und «Le cartel Suisse de secours aux enfants victimes de la guerre» agierte. Dank der Organisation dieser Koalition und dank Spenden aus der Schweizer Bevölkerung und von verschiedenen Organisationen konnten tausende Schweizer Familien Kinder aus Westeuropa, insbesondere aus Südfrankreich, bei sich aufnehmen. Damit leistete die Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der jüngsten Mitglieder der notleidenden Bevölkerung Europas.
Ab 1941 wurden mit der Zustimmung des nationalsozialistischen Regimes auch Kinder aus dem besetzen Nordfrankreich und aus Belgien in die Schweiz gebracht. Auf diese Weise, so hofften die nationalsozialistischen Besatzer, sollten die Eltern der notleidenden Kinder besänftig und Proteste der lokalen Arbeiterschaft, die in der deutschen Rüstungsindustrie zu arbeiten hatte, verhindert werden. Die Kinderzüge waren für das Regime aus propagandistischer Sicht also vorteilhaft und zudem mit keinen zusätzlichen Kosten verbunden.

Mehrere Tausend Kinder wurden so für die Dauer von jeweils drei Monaten in die Schweiz aufgenommen. Diese zeitliche Befristung ermöglichte es, die strikten schweizerischen Immigrationsgesetze zu umgehen, denn es war nun sichergestellt, dass die Kinder nicht zu einer dauernden finanziellen Belastung für die Nation werden würden. Auch für die Schweizer Gastfamilien war eine dreimonatige Verpflichtung einfacher einzugehen als eine andauernde.
Die kriegsversehrten Kinder wurden in Schweizer Familien untergebracht, wo sie sich mit nahrhaften Mahlzeiten stärken und im ländlichen Umfeld von den Kriegswirren erholen konnten. Ziel der Aufenthalte war es, die Gesundheit und Resilienz der Kinder, von denen viele mangelernährt waren, wieder aufzubauen.

Bei ihrer Ankunft wurden die Kinder noch an den Bahnhöfen ärztlich untersucht, entlaust und bei Bedarf gewaschen und neu eingekleidet. Dort wurden sie dann auch von ihren Gastfamilien abgeholt. Französischsprachige Kinder wurden meist in der Westschweiz, insbesondere in der Genferseeregion, untergebracht. Die flämischsprachigen Kinder aus Belgien wurden in die deutschsprachige Schweiz geschickt. Nicht immer aber teilten Kinder und Gastfamilien dieselbe Sprache, sodass Sprachbarrieren die Kommunikation zwischen Gast und Gastgeber oft besonders herausfordernd machten. Nach drei Monaten wurden die Kinder mit Eisenbahnwagen, die vom Schweizerischen Roten Kreuz organisiert wurden, unter der strengen Aufsicht der Schweizerischen Fremdenpolizei zurück in ihre Heimatländer gebracht.
Aufgrund der grossen Popularität der Hilfsaktion und der damit einhergehenden wachsenden Kosten übernahmen 1942 die Schweizer Bundesregierung und das Schweizerische Rote Kreuz die Leitung der Aktion – nun unter dem Namen «Kinderhilfe». In der Folge wurde die Hilfsaktion ausgebaut und Abläufe effizienter gestaltet. Bereits im Mai 1942 konnten so 453 Kinder aus dem von den Nationalsozialisten besetzten Serbien in die Schweiz gebracht werden. Diese Kinder aus Belgrad, von denen viele stark unterernährt waren, wurden im Tessin in vier Kinderheimen untergebracht, denn man hielt die Sprachbarrieren für zu gross als dass man die serbischen Kinder in Gastfamilien hätte platzieren können. Für diese Heime wurde Personal rekrutiert, das sowohl eine Schweizer Landessprache als auch Serbisch sprach. Ein schwieriges Unterfangen, wie sich zeigen sollte. Insgesamt fanden bis Ende 1942 über 60’000 Kinder aus Belgien, Frankreich und Serbien in der Schweiz für drei Monate Zuflucht.
Aufgrund der zunehmenden Intensität der nationalsozialistischen Verfolgung verschiedener ethnischer Gruppen in Westeuropa gelangten im Sommer 1942 immer mehr Flüchtlinge an die Schweizer Grenzen. Diese wurden daraufhin im August 1942 geschlossen. In den nachfolgenden acht Monaten gab es keine Kinderzüge in die Schweiz. Diese wurden erst wieder aufgenommen, nachdem die Alliierten in der Normandie gelandet waren. Die Kinderhilfe wurde nun nochmals ausgeweitet, sodass auch Kinder aus anderen europäischen Ländern aufgenommen werden konnten. Insgesamt beherbergte die Schweiz zwischen 1940 und 1949 über 160’000 Kinder im Rahmen solcher dreimonatigen Aufenthalte – überwiegend in Gastfamilien.

Unser Projekt
Wir sind sehr daran interessiert, mehr darüber erfahren, wie die beteiligten Kinder und Gastfamilien diese dreimonatigen Aufenthalte erlebten. Bis heute wurden nämlich noch keine Zeitzeugengespräche mit Personen, die als Kind zur Erholung vom Krieg in die Schweiz kamen, oder mit Mitgliedern ihrer Schweizer Gastfamilien geführt. Gerade solche Oral-History-Interviews sind aber grundlegend, wenn es darum geht zu verstehen, welchen Einfluss eine vorübergehende Umsiedlung auf kriegsversehrte Kinder hat und wie sich humanitäre Hilfe im Rahmen von nationalen Bemühungen manifestiert. Besonders interessiert sind wir auch daran zu erfahren, inwiefern Sprache und Sprachkenntnisse dieses humanitäre Hilfsprojekt begünstigt und vereinfacht, vielleicht aber auch verkompliziert, haben und wie sich diese Erfahrung langfristig auf diese Kinder und ihre Gastfamilien ausgewirkt hat.
Unser Team setzt sich aus Übersetzungswissenschaftlerinnen und Historikerinnen zusammen, die in Belgien, Grossbritannien und der Schweiz leben und gemeinsam an einem Forschungsprojekt arbeiten, das sich mit Sprachen und Übersetzung im Kontext der humanitären Hilfe auseinandersetzt. Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert und wird von der Universität Genf beherbergt. Sie können unter Unser Team mehr über uns und unsere Forschung erfahren.